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Der Kauf

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Es kann nur besser werden...

Einen Cadillac in USA zu kaufen macht natürlich Spaß, und deshalb habe ich auch relativ viel Zeit in die Vorbereitung investiert - Hin- und Rückflug gebucht, präzise Zeitplanung, bei meiner Tante angemeldet. Und doch wäre beinahe alles schiefgegangen: ich sitze also frühmorgens gemütlich in der S-Bahn zum Flugplatz und lese in der Zeitung einen Artikel über gefälschte Personalausweise und Reisepässe. Irgendwie, merke ich, will mir eine verborgene Ecke meines Gehirns etwas zum Thema "Reisepass" sagen - nämlich, dass es ganz genau weiß, wo der meine sich befindet: im Regal in meinem Schlafzimmer. Dumm nur, dass der amerikanische Zoll genau das Ding sehen wollen wird...

Noch 90 Minuten bis zum Abflug. Also raus aus der S-Bahn, rein in die S-Bahn zurück nach München, nach 40 Minuten Fahrt die Anschluss-U-Bahn verpasst (5 Minuten warten), nochmal 5 Minuten fahren, mit einem 20kg schweren Koffer einen Spurt vom U-Bahnhof nach Hause (ich muss wirklich mehr Fitnesstraining machen!), Pass gegriffen (der auf den Zentimeter genau da lag, wo mein Hirn sich das direkt bildlich vorgestellt hatte) und wieder raus auf die Straße. Ein zufällig vorbeifahrendes Taxi angehalten - "Können Sie in 35 Minuten am Flugplatz sein?" - "Naja, ich kann's ja mal probieren!" -, und nach einer kurzen Rechnung (Taxi zum Flugplatz knapp 100 DM, verpasster Flug etwa 850 DM) waren wir unterwegs. Ich weiß nicht, wieviele Autofahrer uns "Du Taxi-Rüpel" oder schlimmeres hinterhergeschimpft haben mögen, aber dieses eine Mal war ich voll auf der Seite des Taxifahrers...

Zwei Minuten vor der Abflugzeit war ich am Schalter ("bitte checken Sie eine Stunde vor dem Abflug ein"), und die Dame schaute mich auch sehr vorwurfsvoll an. Aber das Flugzeug war noch da, und ich bin gerade noch als Letzter an Bord geschlüpft. Was für ein Anfang!

Chicago, Blind Date With a Car

CadillacDanach ging's geradezu unheimlich problemlos weiter. In Chicago angekommen, nahm ich mir ein Taxi zu Darlene, der Verkäuferin "meines" Cadillacs. Der große Moment: zum ersten Mal sehe ich "mein" Auto in ganzer Größe, eine Cadillac Superior Royale Ambulance/Hearse Combination von 1968, vermutlich sogar eine Tiara - allerdings ist der Chrombügel über dem Dach inzwischen verschwunden. Das Photo links ist das erste, das ich gemacht habe - noch mit den alten Reifen ohne die weißen Ringe. Nur das Chassis inklusive aller vier Kotflügel, Motorhaube und Frontscheibe, aber ohne Türen, Heckklappe und Dach stammt übrigens von Cadillac. Die Firma Superior hat die Chassis so gekauft und darauf die restliche Karosserie und die Inneneinrichtung aufgebaut.

Cadillac Die Erwartungen waren hoch, und da hat's ein Auto schon schwer, sie zu erfüllen. Es war nicht ganz so gut in Schuss wie ich gehofft hatte, aber amerikanische Maßstäbe sind wohl ein bißchen anders als meine deutschen Vorstellungen. Die Elektrik war ziemlich verbastelt, der Unterboden rostiger als ich wollte, und in's Armaturenbrett hatte jemand einen DIN-Ausschnitt für ein Radio gesägt. Dass die Klimaanlage nicht geht, hatte ich fast schon erwartet. Aus jetziger Sicht muß ich aber sagen, dass es wirklich eine solide Substanz hat - ich habe noch keine Durchrostungen oder eingeschweisste Bleche an der Karosserie gefunden. Immerhin, Darlenes Hunde hatten mich auf Anhieb in's Herz geschlossen. Nach ein bißchen Hin und Her wurden wir uns handelseinig, und ich blätterte den Kaufpreis bar auf den Tisch des Hauses - altmodisch, aber immer noch die einfachste Lösung! Darlene (siehe Photo) half mir noch, neue Reifen (vier Stück für US$119 plus Steuern und Montage - und das waren durchaus die dem Auto angemessenen Heavy-Duty-Reifen! Autofahren in USA ist billiger!) und verschiedene andere Teile einzukaufen, von denen ich dachte, sie könnten ganz nützlich sein.


Noch ein paar hübsche Detailansichten. Die ausklappbaren Notsitze und die hinteren Seitenfenster weisen das Auto übrigens als Ambulance/Hearse Combination (von Superior "Limousine" genannt) aus. Reine Hearses (Leichenwagen) haben beides nicht.

Cadillac Cadillac Cadillac Cadillac Cadillac

Daniel's On The Road Again*

Nächste Etappe: von Chicago nach Milwaukee, etwa 90 Meilen. Inzwischen war's dunkel geworden, ich kannte weder Chicago noch Milwaukee, und als Straßenkarte gab's auch nur einen Ausdruck aus dem Internet, der sich allerdings erstaunlich präzise herausstellte. Dazu noch ein altes, fast sechseinhalb Meter langes Auto, das ich nicht kannte und das auch keine Nummernschilder mehr hatte, und ein guter Jet Lag. Gegen letzteres half eine große Menge Koffein, gegen alles andere nur Abenteuerlust. Nachdem ich meiner Tante Else also mein Kommen avisiert hatte, ging's los. Und erstaunlich: ausser ein paar Autofahrern, die sich fast den Hals ausgerenkt hätten, verlief die Fahrt völlig ereignislos. Um Mitternacht war ich in Milwaukee, was meine Tante doch schon sehr erstaunte - sie hätte mich erst zwei Stunden später erwartet, diverses Verfahren und Nach-dem-Weg-fragen einkalkulierend.

Honeymoon...

Die nächsten Tage gehörten dann Else und ihrem 70. Geburtstag. Erst zu diesem Zeitpunkt kamen mir Bedenken, wie ein Leichenwagen vor der Tür wohl auf eine Dame von 70 Jahren und ihren Freundeskreis in ähnlichem Alter wirken könnte... und mir wurde ein wenig unwohl. Aber da habe ich meine Tante wohl falsch eingeschätzt: bei ihrer Party war die Story von dem deutschen Verwandten, der sich hier gerade einen 33 Jahre alten Leichenwagen kauft und ihn mitnehmen will, die Attraktion. In ihrer Geburtstagsrede sagte sie sogar "So, if any of you has always been dying for the chance to ride in a Cadillac, here's your chance now!" - und sie merkte noch nicht einmal, wie wunderbar doppeldeutig das bei einem Cadillac Leichenwagen das ist. Als ich's ihr sagte, hat sie sehr drüber gelacht.

CadillacDie nächsten Tage vergingen damit, das Auto die Straße rauf und runter zu fahren und alle paar Stunden umzuparken - seltsamen amerikanischen Parkverbotsregeln folgend. Eine Nacht habe ich dann wohl vergessen, mir telefonisch eine "Über-Nacht-Anwohner-Ausnahmeparkgenehmigung" zu holen, mit dem schönen Erfolg, dass ich am nächsten Tag den kuriosesten Strafzettel meines Lebens vorfand: US$10, Fahrzeugbeschreibung: "Registration: none, Make: unknown, Model: unknown, VIN: 123456789". Wenigstens als Cadillac hätten die Parküberwacher ihn schon erkennen können. Die VIN (Fahrgestellnummer) war natürlich totaler Unsinn. Ich möchte mal wissen, wie die jetzt mich oder das Auto anhand dieser hochpräzisen Angaben identifizieren wollen... ich habe den Strafzettel nicht bezahlt.

CadillacErste zaghafte Versuche, das Auto meinen Vorstellungen nach zu verbessern: ich habe die Flammenaufkleber von den Fenstern entfernt - wenn Sie genau hinsehen, sehen Sie, dass die Aufkleber auf dem oberen Photo noch dran sind, auf dem rechten nicht mehr. Komisch, fast jedem haben sie gefallen. Ich fand sie furchtbar. Aber dabei habe ich alle Nachbarn kennengelernt - und alle fanden sie das Auto supertoll! Einer wollte gleich einen Hot Rod draus machen! Übrigens sieht man auf den Photos jetzt schon die neuen Reifen mit Weißwandringen, dafür fehlen die hinteren Radabdeckungen. Deren Halterungen haben sich als so morsch erwiesen, dass sie erst geschweisst werden müssen, um wieder sicheren Halt bieten zu können. Und da ich sie nicht unterwegs verlieren wollte, liegen sie jetzt im Laderaum.

Einige Zeit ging auch mit Ersatzteile-Kauf drauf. In der bestimmt nicht falschen Ansicht, dass Verschleißteile für einen alten Caddy in USA bestimmt billiger und leichter zu kriegen sind, habe ich gleich so einiges eingekauft - von Dichtungen bis zu neuen Bremsbacken und Stoßdämpfern - das Auto schaukelte wie ein Segelboot im Sturm. Eine Grundausstattung zölligen Werkzeugs habe ich auch noch mitgenommen - könnte ja sein, dass mal was kaputtgeht... ;-))

...und vorübergehende Trennung

Dann wurde es Zeit, die Rückreise zu organisieren. Der ursprüngliche Plan war, das Auto nach der Geburtstagsfeier nach Baltimore zu fahren und dort einzuschiffen. Dafür hätte ich aber gerne eine Zulassung gehabt - für einen Deutschen scheint's aber ziemlich unmöglich zu sein, eine Versicherung und damit eine Zulassung für ein Auto zu kriegen. Endgültig Schluß war dann mit den Worten "we can't do out-of-state titles" - mein Caddy hatte Papiere aus Illinois, und ich war in Wisconsin. Soviel zu "United States Of America". Ausserdem traute ich dem Auto nicht wirklich eine solche Langstrecke zu (wohl mit Recht, wie sich später zeigen sollte), also habe ich's direkt in Milwaukee abholen lassen. Der Transport von Milwaukee nach Baltimore war dabei leider nur unwesentlich billiger als der Rest der Strecke von Baltimore nach Bremerhaven. Naja...

Ein letztes Winken, als mein Caddy um die Ecke bog... auf Wiedersehen fünf Wochen später in Bremerhaven.